Wald-Wildnis im Blick behalten

Stiftung richtet Waldmonitoringflächen im Nationalen Naturerbe Rüdigsdorfer Schweiz ein

  • Mitarbeiter der SNT bei der Erfassung der Stichprobenkreise, Foto: SNT
  • Blick auf die struckturreiche Gipskarst-Landschaft von Petersdorf (NDH) aus, Foto: SNT
  • Vielfalt an Formen und Farben der Baumpilze; Foto: SNT
  • Vielfalt an Formen und Farben der Baumpilze; Foto: SNT
  • Vielfalt an Formen und Farben der Baumpilze; Foto: SNT
  • Vielfalt an Formen und Farben der Baumpilze; Foto: SNT

Seit 2018 ist die Stiftung Naturschutz Thüringen (SNT) Eigentümerin von 98 ha Nationalen Naturerbeflächen (NNE) in der Rüdigsdorfer Schweiz. Neben wertvollen und für die Gipskarst-Landschaft typischen Offenlandlebensräumen wie Magerrasen, Felsschutthalden, sowie Frisch- und Feuchtwiesen mit  Quellbereichen, handelt es sich überwiegend um naturnahe Laubmischwälder mit hohem Buchenanteil.

Die Erhaltung und Entwicklung von Naturwäldern gehören zu den wichtigsten Zielen der Naturerbeflächen. Da es sich bei den NNE-Flächen in der Rüdigsdorfer Schweiz um relativ naturnahe Waldbestände handelt, konnte die Stiftung das Leitbild Prozessschutz* sofort umsetzen: Die forstwirtschaftliche Nutzung wurde komplett eingestellt und die Wälder dürfen sich nun ohne weitere direkte Eingriffe des Menschen entwickeln. Mit diesem Schritt will die Stiftung nicht nur Habitate für Totholzkäfer, Fledermäuse, Spechte u.a. schaffen, sondern auch Karsterscheinungen und empfindliche Böden vor der Zerstörung bewahren.

Um die Waldwildnis dennoch im Blick zu behalten, hat die Stiftung nun begonnen 20 Stichprobenflächen im Rahmen des bundesweit einheitlichen NNE-Waldmonitoring-Programms einzurichten. Hierfür werden in den Stichprobenkreisen alle 10 Jahre waldbauliche und struckturelle Parameter erhoben, um langfristig die Entwicklung zu überprüfen und eine Vergleichbarkeit zu erzielen - einerseits mit Naturerbeflächen bundesweit, aber auch mit anderen Waldliegenschaften der Stiftung. Stück für Stück wird das Monitoringprogramm auch z.B. im Waldwildnisgebiet Kaltennordheim und auf den zahlreichen NNE-Flächen im Bereich des Nationalen Naturmonuments Grünes Band Thüringen umgesetzt.

Beim NNE-Waldmonitoring liegt ein Fokus der Erhebung auf den Strukturen, die für die Artenvielfalt ausschlaggebend sind, z.B. den Totholz- und Habitatstrukturen, wie Baumhöhlen, Rissen und Bäumen mit Kronenbrüchen, die sich besonders zur Horstbildung von Greif- und Rabenvögeln eignen. Besonders gut sichtbar sind diese Strukturen im unbelaubten Zustand. Hier zeigen sich dem Besucher Sichtweisen, die im Sommer vielleicht gar nicht ins Auge fallen würden: z.B. wie die Totholzstämme alle grün bemoost hangabwärts ein schönes Muster ergeben. An anderer Stelle sind es die zusammengebrochenen, weißen Birkenstämme als Pionierbaumart, die ins Auge fallen. Beieindruckend ist jetzt im Winter auch die Vielfalt an baumbewohnenden Pilzen, die Farbtupfer in den Wald zaubern. Auf den Birkenstämmen z.B. sind viele Birkenporlinge zu finden, der Pilz, den auch „Ötzi“, der Mann aus dem Eis, bei sich trug und dem besondere Heilkräfte nachgesagt werden.

Erwandern lässt sich das Wildnisgebiet z.B. über den Karstwanderweg auf dem Abschnitt Kalkhütte-Salzaspring. Entlang dieses Weges befinden sich auch Infotafeln über die Besonderheiten des Südharzer Gipskarst, als einem von 30 Hotspots der biologischen Vielfalt in Deutschland. Auch der neuausgewiesene Thüringer Urwaldpfad verläuft durch diese Wald-Wildnis. Aber Achtung: In Naturwäldern ist besondere Vorsicht durch herabfallende Äste und umstürzende Bäume geboten!

Die NNE-Kartierungsprogramme sind so konzipiert, dass auch interessierte Menschen aus der Region mit eingebunden werden können. Wer Interesse an naturschutzfachlichen Erfassungen hat, kann sich gern bei der Stiftung melden. Für Rüdigsdorf sind auch Tagfalter-Monitoringflächen oder Vogelkartierungen denkbar.

Hintergrund:

Das Nationale Naturerbe in Deutschland ist eine wahre Erfolgsgeschichte für den Naturschutz. Rund 156.000 ha wertvolle Naturschutzflächen wurden vom Bund unentgeltlich an Länder, Naturschutzorganisationen oder Stiftungen zur dauerhaften naturschutzfachlichen Sicherung übertragen.

Die SNT hat seit 2010 rund 3950 ha NNE-Flächen im Grünen Band übernommen, sowie 30 ha in der Moorlandschaft Alperstedter Ried und die 98 ha in der Rüdigsdorfer Schweiz.

*Prozessschutz ist gerade auf den Waldflächen des Nationalen Naturerbes die Naturschutzstrategie, die auf die natürlichen Prozesse und das Nicht-Eingreifen des Menschen setzt, ohne ein klares Entwicklungsziel zu verfolgen. Das Grüne Band bildet dabei eine Ausnahme, da hier aufgrund der Grenzhistorie eher ein Offenland-Biotopverbund im Fokus steht.

Die Strecken der Thüringer Urwaldpfade finden sich hier www.thueringer-urwaldpfade.de/routen/thueringer_urwaldpfade_-_ruedigsdorfer_schweiz/

Das Waldmonitoringprogramm ist im Rahmen des Netzwerk Nationales Naturerbe entwickelt worden. Die Naturstiftung David, die das Netzwerk aus Flächenempfängern koordiniert,  stellt unter www.naturstiftung-david.de/netzwerk einen umfangreicheen Informationspool über die NNE Flächen zur Verfügung. Hier findet sich unter anderem ein Fotopool sowie eine Monitoringbörse, bei der ehrenamtliche Kartierer und Flächen mit Kartierungsbedarf zueinander finden können. Hier sind auch die Kartierungsanleitungen zu finden, die auch für andere Naturschutzflächen geeignet sind.